Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Lorz, sehr geehrter Herr Minister,

die nachfolgend zitierte Ankündigung im Koalitionsvertrag hat in der Grundschullehrerschaft in Hessen große Irritation ausgelöst:
„Für uns ist es deshalb von großer Wichtigkeit, dass die Grundschülerinnen und -schüler in allen Fächern bei der Entwicklung ihrer Rechtschreibkompetenz begleitet werden.

Sie sollen von Beginn an zum korrekten Schreiben angeleitet werden. Deshalb sprechen wir uns gegen die Unterrichtsmethode „Lesen durch Schreiben“
(Schreiben nach Gehör) aus.“

Wie wir auf einer öffentlichen Veranstaltung der Landesgruppe Hessen des Grundschulverbands am 30.1.2019 in Gießen feststellen mussten, erleben viele Kolleginnen und Kollegen diese Aussage als unvereinbar mit ihrer langjährigen erfolgreichen Praxis nach dem geltenden Bildungsplan und auch mit den KMK-Empfehlungen zur Arbeit in der Grundschule, in denen es auf S. 12 heißt:

„Beim Schriftspracherwerb ist das lautorientierte Schreiben ein Entwicklungsschritt auf dem Weg zum normgerechten Schreiben. Das Kind wird ausgehend von seinen lautorientierten Verschriftungen von Anfang an systematisch an das orthografisch korrekte Schreiben herangeführt.“

Je nachdem, wie die Ankündigung im Koalitionsvertrag ausgelegt oder konkretisiert wird, ergeben sich in der Tat Widersprüche – auch zur deutschen und internationalen Forschung:

  • Vorschulkinder, die ohne Unterweisung zu schreiben beginnen, verschriften Wörter generell zunächst nach ihrer Aussprache.
  • In der Entwicklung der Rechtschreibung vervollkommnen Kinder aller Leistungsgruppen zunächst die lautgerechte Verschriftung von Wörtern, ehe sie zunehmend Rechtschreibmuster verwenden.
  • Von einer orthographisch orientierten Rechtschreibförderung profitieren Kinder mit Rechtschreibschwierigkeiten erst richtig, nachdem sie die lautgerechte Verschriftung von Wörtern beherrschen, das alphabetische Prinzip verstanden haben.
  • Falschschreibungen prägen sich in der alphabetischen Phase nicht ein, denn die Kinder konstruieren auch häufiger verwendete Wörter immer wieder neu.
  • Es besteht eine hohe Korrelation zwischen früher lautgerechter Verschriftung von Wörtern und späterer Richtigschreibung.

Uns ist bekannt, dass das lautorientierte Schreiben vereinzelt von Lehrerinnen und Lehrern nicht fachgerecht begleitet wird. Es kommt bei der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung deshalb darauf an, eine gangbare Form der Konkretisierung zu finden. Als Fachverband für Grundschulpädagogik und -didaktik bieten wir dazu unsere Unterstützung an.

Wir bitten Sie um ein Gespräch, um die für die Grundschularbeit so wichtige Frage nach fundierten Konzepten für den Anfangsunterricht mit Ihnen besprechen zu können.

Mit freundlichen Grüßen

M. Lassek (Bundesvorsitzende)
M. Michel (Landesvorsitzender)

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